Die Idee des „Turnens" in seiner ursprünglichen Form, als ein Mittel zur Ertüchtigung der Jugend mit einfachen Übungen, das „Volksturnen", beruht auf dem heute „Turnvater" genannten, Friedrich Ludwig Jahn.
Er wurde am 11.8.1778 in Lang an der Priegnitz geboren und betrieb zuerst auf Wunsch seines Vaters, der Pfarrer war, ein Theoloqiestudium. Sein Interesse galt aber historischen und sprachlichen Studien, weshalb er nie sein Studium vollendete. Sein preußisches Vaterland wurde 1806/07 von Napoleon I. vernichtend geschlagen und er selbst erlebte als Zeuge den Fall von Lübeck.
Für ihn war dies eine so große Schmach, daß er als Lehrer in Berlin auf Mittel und Wege sann, eine Jugend heranzuziehen, die körperlich Gesund und leistungsfähig für ihr Vaterland mit entflammten Herzen einstehen kann. Zu diesem Zwecke begann er auf der Hasenheide bei Berlin mit seinen Schülern körperliche Leistungsfähigkeit durch üben mit selbsterfundenen Geräten zu trainieren. Neben der Körperertüchtigung betrieb Jahn jedoch in erheblichem Maße die Formung eines freien Geistes und verfolgte gegen alle Widerstände das Ziel einer Einigung zu einem deutschen Vaterland, für das er auch eine lange Haft und Verfolgungen in Kauf nahm. Seine Idee des Turnens breitete sich schnell über alle deutschen Lande aus, die Einigung seines Vaterlandes dauerte bis 1870 und bewährte sich im Krieg 1871. An der Front glänzten Turner als tüchtige Soldaten und verbreiteten auf diese Art und Weise die Jahn'sche Idee.
Diese Vorgeschichte ist für den TV 1878 Waldmohr wichtig, denn zwei ehemalige Sergeanten, Jakob Victor, Schreiner und Christian Ganther, Tüncher, waren es, die am Sonntag, dem 28. Juli 1878, eine Versammlung in einem Saal des Volksschulhauses einberiefen, um in Waldmohr einen Turnverein zu gründen. Jakob Victor konnte 30 junge Leute in dieser Versammlung begrüßen und es wurde die Gründung eines Turnvereins beschlossen und sogleich ein provisorischer Ausschuß zur Erarbeitung von Statuten gewählt. Dieser „Ur-Ausschuß" setzte sich wie folgt zusammen:
Victor Jakob, Schreinermeister, | Vorsitzender |
Hemmer Christian, | Schriftführer |
Ganther Christian, Tüncher, | Rechner |
Schäfer Carl, Burgey Fritz, Schreiner Peter | Ausschußmitglieder |
Dieser Ausschuß leistete ganze Arbeit: Schon am 8. September 1878 konnten in einer dazu einberufenen Mitgliederversammlung die Statuten vorgelegt und die "hochwohllöbliche bayerische königliche Genehmigung" des gegründeten Vereins bekanntgegeben werden. Die Versammlung von 12 eingeschriebenen Mitgliedern nahm die Satzungen an und wählte sodann einen Turnrat, mit folgender Zusammensetzung
Jakob Victor, Schreiner, | I. Turnwart |
Christian Ganther, Tüncher und Anstreicher, | II. Turnwart |
Christian Hemmer, Kaminfeger, | Säckelwart |
Paul Becker, Notariatsgehilfe, | Schriftwart |
Friedrich Burgey, Schmied, | Zeugwart |
Karl Blum, Bürgermeister, | Beisitzer |
Peter Stoffel, Wirt, | Beisitzer |
Peter Martin, Notariatsgehilfe, | Beisitzer |
Die Statuten lagen in gedruckter Form vor und wurden an jedes Mitglied nach Unterschrift ausgehändigt. Die handgeschriebenen Originalprotokolle der Gründung sind ebenso wie ein Exemplar der Statuten im Archiv des Turnvereins durch die sehr wechselhaften Zeitläufe erhalten geblieben.
Mit viel Idealismus gingen die Turner dann zu Werke. Geturnt wurde im Vereinslokal bei Wirt und Metzger Heinrich Leiner, heute Metzgerei Klink, mit dem ein Vertrag zur Benutzung von Wiesengarten und Saal (war im 2. Stockwerk) geschlossen wurde. Im laufe der langen Vereinsgeschichte wechselte das Turnlokal dann einige Male:
Soweit heute noch zu ermitteln, wurde benutzt:
1. Saal Leiner, wie bereits beschrieben ·
2. Saal im ehemaligen Hofbräuhaus
3. Hofraum und Kegelbahn des Gasthauses Böttler,
4. Saal des Gasthauses Scherer, heute „Zur Post"
5. Die Vereinsturnhalle, ab Februar 1925
Die Ausschußsitzungen wurden bis zum Bau des Beratungszimmers bei den im Verein eingetragenen Wirten abgehalten. Wir finden in den alten Protokollen Berichte über Sitzungen bei
Wirt Karl Schmitt, heute „Zur Linde"
Wirt August Kiefer, heute „Deutsches Haus"
Wirt Hemmer, heute Möbelhaus Collmar
Cafe Kiefer, heute Reinigung im Hause Böttler
Cafe Cullmann, heute Wohnhaus Bahnhofstraße
Wirt Blum, zuletzt Weinhandlung Blum
In den Sälen der Vereinsmitglieder wurden Veranstaltungen aller Art abgehalten. Strenge Vorschriften regelten den Besuch und die Tanzordnung der Vereinsbälle. Theater, sowie auch Konzertveranstaltungen einer Laienspielgruppe mit Doppelquartett und Streichorchester des Turnvereins, bereicherten sowohl den 1890 gegründeten „Turnhallenbaufonds", als auch das kulturelle Leben in Waldmohr. Im laufe der Zeit kamen und gingen die Hoch's und die Tief's in einem steten Wechsel, ausgedrückt durch die Aktivität. Im Schwung der Gründerjahre konnte schon 1886 eine Vereinsfahne geweiht werden, die in den Wirren um 1945 erst verschwand. Meilensteine in der Geschichte des Vereines sind der erste Ankauf eines Sportgeländes 1901 und die Erlangung der Rechtsfähigkeit 1906. In dieser Zeit der Blüte stieg der Turnhallenbaufonds kontinuierlich an und 1913 durfte der Turnverein Waldmohr das 9. Gauturnfest des 1. Pfälzischen Turngaues in der „Wahrbach" (Glanstraße) durchführen, dessen Mitwirkende zum Teil noch heute, 65 Jahre später, ihrem TV die Treue halten und bis in die jüngsten Tage aktiv am Vereinsgeschehen teilnehmen. Die erste große Dämpfung erfolgte durch den ersten Weltkrieg. Viele Turner zogen als Soldat hinaus, 12 davon fielen, zwei blieben vermißt. Nachdem 1919 der Turnbetrieb wieder aufgenommen wurde, hat man sie nicht vergessen und ihnen 1921 eine eichene Ehrentafel errichtet, die später in der Turnhalle angebracht wurde, heute aber verschwunden ist. überhaupt vergaß der Turnverein nie seine verdienten Mitglieder zu ehren, was durch zahlreiche Ehrenmitgliedschaften, Ehrennadeln und Titel wie Ehrenvorsitzender, Ehrenoberturnwart udgl. bewiesen wird. Nach der Errichtung der eigenen Halle 1924/25 kam eine nächste Blütezeit, bis in die 30-er Jahre.
Unter dem Druck der Schuldenlast vom Bau der Turnhalle, für die eigene Mitglieder mit ihrem Privatvermögen gebürgt hatten, bei nachlassendem lntersse der Jugend, kam das Verbot des Theaterspiels, der einstigen Einnahmequelle für Tilgung und Zins. Aus den Beiträgen der Mitglieder, die in der damaligen Zeit nicht sehr üppig waren, konnte gerade mit Mühe und Not der Sportbetrieb finanziert werden, sodaß Zahlungsrückstände aufkamen. Die Protokolle jener Zeit liefern Zeugnisse mannigfacher Art von Bemühungen der Vorstandschaft um Stundungen und Erlaß von fälligen Beträgen. Obwohl einige erlassen wurden ging die Sache soweit, daß der Sportverband die Sportler des TV 1878 sperrte und somit den Sportbetrieb im Jahre 1937 illusorisch machte. Aus Protest gegen diese Maßnahme trat der damalige „Vereinsführer" von seinem Amt zurück und der stellvertretende Vereinsführer bot die Halle und den Platz der Gemeinde zum Kauf an, um eine Inanspruchnahme der Bürger zu vermeiden.
Die Gemeinde bewies dem Verein ein weitgehendes Entgegenkommen und nach Genehmigung durch eine außerordentliche Generalversammlung am 25. September 1937 konnten die Bedingungen des Eigentumsüberganges ausgehandelt werden.
Die Gemeinde erwarb das Eigentum an Platz und Halle mit dem Inventar der Wirtschaftsabteilung und löste dafür folgende Schulden des Turnvereins ab: Sicherungshypothek der Gemeinde zu 6.000.- Goldmark, 3.000.- Goldmark Restschuld an den Turnerbund, 1.000.- Mark für das Hilfswerk Deutscher Turnerbund. Für den Turnverein blieben noch 1.000.- Mark Barauszahlung und die vertraglich festgelegte Benutzung der Turnhalle an zwei Wochentagen und von Platz und Halle zu den sportlichen und anderen Veranstaltungen. Der Gemeinderat gab seine Zustimmung am 22. November 1937 und am 30. Juni 1938 besiegelte der Grundbucheintrag das Geschäft.
Nun waren zwar die Bürgen des Vereins alle entlastet, der Verein schuldenfrei, aber die Arbeit vieler freiwilliger, kostenlosser Stunden der Mitglieder vertan.
Schon seit dem Jahre 1936 verhandelte eine Kommision der zwei Vereine TV 1878 und V.f.B. zwecks Zusammenschluß zu einem Sportverein. Diese Kommision hatte auch schon einen Satzungsentwurf fertiggestellt, der Zusammenschluß scheiterte damals an den Schulden des TV, die ja den neuen Verein gleich belastet hätten. Nun war der Weg frei für neue Taten in dieser Richtung. Die Vorgänge aus dieser Zeit entnehme ich mit Genehmigung der Vorstandschaft der V.f.B. des dort verwahrten Akten des V.f.L. Waldmohr.
Am 19.3.1938 fand im Saal der Wirtschaft Blum eine Mitgliederversammlung des TV 1878 statt, während im Nebenzimmer sich der V.f.B. versammelte. Unter der Leitung von Herrmann Böttler kam folgende Einigung zustande: Der V.f.B. löst sich auf und seine Mitglieder treten in den Turnverein ein, um die 1.000.- Mark zu retten, die der TV damals ja aus dem Verkauf der Halle noch besaß. Nach diesem ersten Schritt änderte der Verein seinen Nahmen in „Verein für Leibesübungen" (V.f.L.) Waldmohr. Die in einer Sitzung 1937 im Cafe Böttler erarbeitete Satzung wurde anerkannt und eine neue Vorstandschaft gewählt. Dieser neue Verein betrieb alle Sportarten, die vorher von den Gliedvereinen betrieben wurden, bis er in den Kriegsjahren einschlief. Die letzte Generalversammlung des V.f.L. im Krieg fand am 9. Mai 1940 statt.
Nach dem Ende des grausigen Völkersterbens 1945 dauerte es noch eine kleine Weile, bis die Tätigkeit von Sportvereinen wieder erlaubt wurde, und der Verein nahm unter dem Namen „Sport-Verein Waldmohr" seine Aktivitäten wieder auf. Teils wegen verschiedener Ansichten über die Wichtigkeit von Sportarten, teils aus wiedererwachtem Turnerstolz, entstand schon bald der Wunsch nach einem Wiederaufleben des Turnvereins. Es war Karl Klein, der zu einer Gründungsversammlung am 7. Januar 1951 in den Saal der Gastwirtschaft Emil Müller einlud.
Das große Interesse an dieser Wiedergründung bezeugten 71 Personen, die zu dieser Versammlung erschienen. Das Ergebnis war ermutigend: Der Turnverein Waldmohr wurde unter der Leitung von Hans Collmar wiedergegründet und es traten sogleich 67 Personen als Mitglieder ein. Mit neuem Schwung wurde in die Speichen gegriffen und bis zum 22. Februar konnte Kassierer Gieser durch Werbung von Haus zu Haus die Mitgliederzahl auf 240 erhöhen! Der Verein setzte die Tradition des ehemaligen TV 1878 fort und erhielt auch seinen Namen und die für diesen eingeräumten Rechte an der Turnhalle übertragen. Der Sportverein kehrte dann wieder zu seinem alten Namen V.f.B. zurück.
Steil ging der Weg des TV nun nach oben, die alte uneigennützige Schaffenskraft seiner Mitglieder ging sogar soweit, daß an der Halle, die noch der Gemeinde gehörte, Anbauten errichtet wurden, um sie zweckmäßiger zu machen. Die Zahl der Mitglieder stieg auf runde 400 und nach und nach entstanden die manigfaltigsten Abteilungen. Mit fortschreitender Belegung der Halle durch die Abteilungen kam der Wunsch auf, die früheren Eigentumsverhältnisse wiederherzustellen u. der TV stellte den offiziellen Antrag, die Halle wieder zurückzukaufen. Wiedereinmal zeigte die Gemeinde Entgegenkommen u. nach einigen Verhandlungen konnte der Vorsitzende Hans Collmar aus der Hand v. Bürgermeister Mohrbacher den Schlüssel zur Halle entgegennehmen. Die Vorgänge und der Ausbau der Halle sind in dem Kapitel „Turnhalle" genauer dargestellt. Heute stellt der Verein sowohl sportlich als auch wirtschaftlich einen Faktor dar, der mit seinem Wirken und seinen Veranstaltungen aus dem dörflichen Leben von Waldmohr nicht mehr wegzudenken ist. Er umfaßt zur Zeit (31.12.1977) folgende Abteilungen: Turnen, Leichtatlethik, Volkswandern, Spielmanns- und Musikzug, Tischtennis, Handball, Prellball und Gymnastik. Es bestanden schon Abteilungen im Schießsport, Fechten, Schwimmen, Laienspiel, Gesang und Streichmusik, die entweder eingeschlafen sind, oder durch eigene Fachvereine abgelöst wurden. Der Mitgliederstand, mit dem der Verein ins Jubeljahr des 100-jährigen Bestehens geht, beträgt 448 Mitglieder. Die bisherigen Vorsitzenden waren:
Victor Jakob (damals als 1. Turnwart Vereinsleiter)
Peter Stoffel
Georg Roos
Friedrich Stubenrauch
Karl Barth
Karl Bauer
Daniel Porger
Dr. Oskar Levi
Friedrich Collmar
Hans Bauer
Peter Weber (damals V.f.L.)
Bold Philipp (damals V.f.L.)
Collmar Hans (wieder TV 1878)
Porger Fritz
Burckhart Karlheinz
Schenkel Hans
Essig
Edinger, Karl-Heinz, seit 1977
Entnommen aus der Festschrift anläßlich des 100jährigen Jubiläum des Turnverein 1878 Waldmohr e.V.
Text: Karl-Heinz Burkhardt, Waldmohr
Bild: TV-Archiv